xxx Perspektiven der Frauenarbeit im
ländlichen Raum Die Zusammenarbeit von Frauen spiegelt grundsätzliche Herausforderungen und Perspektiven wider, die für die ländliche Entwicklung ausschlaggebend sind. Diese umfassen den Umweltschutz, den Erhalt der biologischen Vielfalt und die gerechte Ressourcenverteilung. Darüber hinaus bildet jede Gruppe ein Forum zur Entfaltung der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen sowie zur Teilhabe an Entscheidungsprozessen auf lokaler und nationaler Ebene. So trägt die Selbstorganisation der Frauen dazu bei, Ziele wie eine menschenzentrierte und geschlechtergerechte Entwicklung zu verwirklichen. Ein Vergleich von Frauenzusammenschlüssen aus unterschiedlichen Kulturen verdeutlicht die grundlegenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Zusammenarbeit. Denn sowohl in traditionellen Gesellschaften als auch in Industrieländern haben Landfrauen Kooperativen und lokale Organisationen gebildet, die ökonomische Ziele verfolgen. Ein Blick in die Gruppenstrukturen zeigt, wie wichtig die Transparenz der Gruppenleitung und demokratische Abstimmungsverfahren für die Zusammenarbeit und die Ernährungssicherung sind. Auch die Alterszusammensetzung der Mitglieder und die Einkommensverteilung spielen eine Rolle. Bemerkenswert ist, wie aufgeschlossen viele Gruppen für technische Innovationen sind, wenn diese Neuerungen Arbeitserleichterungen ermöglichen und die Frauen die Kontrolle über die Technik einfordern können. Viele Kleinbäuerinnen entscheiden sich, Mitglieder in einer Frauenorganisation zu werden, da die Männer in den gemischten Kooperativen in jeder Hinsicht bevorzugt werden. Dies betrifft ihre Übernahme von Entscheidungsfunktionen sowie ihre Macht über die Einkünfte und die Arbeitsorganisation. So mussten Frauen in gemischten Kooperativen immer wieder feststellen, dass diese Wirtschaftsform dem Anspruch der Gesellschaftsveränderung keineswegs gerecht wird, denn die Hierarchien im Geschlechterverhältnis bleiben unangetastet. Die umfangreichen Arbeitsleistungen der Frauen in der Landwirtschaft werden in vielen gemischten Kooperativen nicht geachtet und ihre familiären Versorgungsaufgaben werden nicht als wirtschaftlich bedeutend anerkannt. Diesen Tendenzen versuchen Frauenzusammenschlüsse gegenzusteuern, indem sie alle Arbeiten ihrer Mitglieder als überlebenswichtig bewerten, um so auch die Differenzen zwischen den Frauen auszugleichen. Darüber hinaus legen sie Wert auf die aktive Beteiligung aller Frauen an Entscheidungsprozessen. Zudem bemühen sie sich, den Informations-, Kredit- und Marktzugang jeder Einzelnen zu verbessern. Wichtig ist, dass Frauen durch Bildungsprogramme und Schulungen Managementkenntnisse erwerben, um an Entscheidungsprozessen teilzuhaben und Führungsaufgaben zu übernehmen. Auf diesem Wege werden ihre Kompetenzen erweitert und geschlechtergerechte Entwicklungsperspektiven verwirklicht. Verbesserung der Lebenssituation durch
Frauenzusammenschlüsse Sozio-kulturelle Verankerung und Entwicklungspotenziale von Frauenzusammenschlüssen Heutige Frauengruppen blicken auf eine lange Geschichte der vielfältigen Formen von Zusammenarbeit zurück. In zahlreichen Regionen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas waren Frauenzusammenschlüsse bereits in den vorkolonialen Gesellschaften verankert. Sie trugen zur Arbeitsteilung im Anbau, der Verarbeitung und Vermarktung von Nahrungsmitteln und zur Ernährungssicherung bei. Darüber hinaus vermittelten sie landwirtschaftliche und ökologische Kenntnisse sowie Kompetenzen in Handwerk und Handel. Die gerechte Verteilung der Arbeit und der Erträge waren wesentliche Organisationsprinzipien. Egalitäre Entscheidungsprozesse und Hierarchien, die auf der Macht alter Frauen aufbauten, lagen den Gruppenstrukturen zu Grunde. Neben wirtschaftlichen Aufgaben hatten die Frauenorganisationen auch soziale, religiöse und politische Bedeutung, indem sie Zeremonien im Jahreszeitenzyklus oder in Verbindung mit den einzelnen Lebensphasen von Frauen durchführten. In Westafrika übernahmen ihre Leiterinnen politische Führungspositionen, die sie sogar gegen die Kolonialmächte zu verteidigen suchten. Heutige Frauenzusammenschlüsse bauen auf diesen Traditionen auf, versuchen sie aber innovativ an die gegenwärtigen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen anzupassen. Dabei gelten Frauenzusammenschlüsse als geeignete Organisationsform, die neuen Möglichkeiten zu nutzen und sich aktiv an demokratischen Entscheidungsprozessen z.B. an der Landreform zu beteiligen. Der Widerstand gegen politische Willkür wird auch heute noch vielerorts von Frauenzusammenschlüssen getragen. Inzwischen haben Nicht-Regierungsorganisationen und staatliche Agrarministerien die Entwicklungspotenziale ländlicher Frauengruppen erkannt, entsprechend besteht eine aktuelle Herausforderung darin, der Vereinnahmung durch staatliche oder parteipolitische Interessen entgegenzuwirken. Nur dann können die Gruppen ihre Ziele, wie Ernährungssicherung, Ressourcenschutz und geschlechtergerechte ländliche Entwicklung verwirklichen. Frauenkooperativen im Iran -
Reglementierte Zusammenarbeit? Besondere Beachtung erfuhren Landfrauen und Frauenkooperativen Mitte der 90er Jahre, zur Zeit der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking. Die Ziele der neuen Kooperativen sind weit gesteckt. Sie umfassen den Zugang zu Krediten, Märkten und Entscheidungsgremien. Bildungsmassnahmen in der Landwirtschaft und im handwerklichen Bereich werden ebenfalls angestrebt. Konkret heisst das: die Kooperativen versuchen, alle Aufgaben im landwirtschaftlichen Produktionsprozess zu bewältigen, einschliesslich der Verarbeitung bis hin zur Vermarktung. Alle Massnahmen sind auf die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen orientiert. Durch die Kombination dieser Arbeitsbereiche haben Frauenkooperativen im Iran bereits einige Erfolge erzielt. Diese sind keineswegs auf ökonomische Fakten zu reduzieren, vielmehr ermöglicht die institutionelle Verankerung von Frauenzusammenschlüssen, erstmals die Arbeit und das Wirken von Frauen auf dem Land sichtbar zu machen und zu würdigen. So produzieren Frauen im Iran die farbenprächtigen, kostbaren Teppiche, die nach dem Rohöl immer noch das wichtigste Exportgut des Landes sind. Ihre Arbeit wurde aber da überwiegend im ländlichen Haushalt hergestellt statistisch nicht registriert. In kargen Regionen mit geringer agrarischer Produktion sichert dieses häusliche Handwerk bis zu 90 Prozent des Haushaltsbudgets und damit die Ernährungssicherung der Familienmitglieder. Die Kooperative La Surenita in
Honduras - Ein Entwicklungsprojekt von Frauen Mit der Gründung der Kooperative reagierten die Frauen auf die rechtlichen Beschränkungen, die ihnen verbieten, als eigenständige Produzentin Land zu besitzen. Ihre Verhandlungsposition gegenüber politischen Gremien und Entscheidungsträgern hat sich grundlegend verbessert. Hierzu tragen die demokratischen Strukturen in der Kooperative bei, denn die gewählten Vertreterinnen der Kooperative kämpfen für die Landrechte und die öffentliche Anerkennung des Frauenzusammenschlusses. Auch ihre unzureichende Schulbildung und das Aufbrechen von familiären Sicherungssystemen fordern neue Antworten, denn über 70 Prozent der Frauen sind allein erziehende Mütter, die bis zu neun Personen in ihren Haushalten versorgen müssen. Die Kooperative bieten den Frauen neue wirtschaftliche Perspektiven in der Produktion und Vermarktung, auch die Bildungsprogramme tragen zur Stärkung des Selbstvertrauens bei. Indem die Frauen ihr eigenes Einkommen erwirtschaften und Zugang zu Krediten erhalten, hat die Kooperative ihre Ressourcensituation strukturell verbessert. Zudem können die Frauen finanzielle Unterstützung in Notsituationen erhalten und mit einer minimalen Altersversicherung rechnen. Indem die Zusammenarbeit und Organisation von Frauen gestärkt wird, fördert die Kooperative die sozio-ökonomische und kulturelle Entwicklung in den Dörfern. La Surenita zeigt, dass ein Projekt, das die wirtschaftlichen Ziele der Frauen verwirklicht, mittel- und langfristige Verbesserungen bringen kann. Denn erstens werden alle Frauen regelmässig in der Produktionstechnik sowie in verwaltungspraktischen und politischen Fragen geschult und zweitens liegt die gesamte Verwaltung und Vermarktung in den Händen der Mitglieder. Dennoch sind die wirtschaftlichen Möglichkeiten an das Alter und den familiären Status der Frauen gebunden: Während das Einkommen der allein erziehenden jungen Mütter mit mehreren Kindern gerade zur Versorgung reicht, können andere Frauen bereits ein eigenes Haus bauen. Die Herausforderung für diese Kooperative besteht nun darin, mögliche Konflikte zu bewältigen, die aus derartigen Unterschieden zwischen den Frauen resultieren. Wenngleich die Frauen durch das eigene Einkommen und die Bildungsangebote selbstbewusster geworden sind, entziehen sich immer mehr Ehemänner ihrer familiären Verantwortung. Viele nutzen ihre sporadischen Löhne nun ausschliesslich für individuelle Interessen. Somit hat der wirtschaftliche Erfolg der Frauen neue Geschlechterkonflikte zur Folge. Obwohl einige verheiratete Frauen derartige Schwierigkeiten mit ihren Ehemänner beklagen, bewerten sie die Kooperative dennoch als Chance, ihre Perspektiven zu verwirklichen. Die Zukunft der Frauenorganisationen
Perspektiven für die Entwicklungszusammenarbeit Der Dreh- und Angelpunkt hierbei sollte die Unterstützung der Kompetenzen, Kenntnisse und des Ideenreichtums von Frauen sein. Indem Frauenzusammenschlüsse ökonomische und ökologische mit sozio-kulturellen Zielen verbinden und dabei von der Lebensrealität ihrer Mitglieder ausgehen, sorgen sie für die Ernährungssicherung und bieten neue Handlungsspielräume für Frauen. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Wandel und der geschlechtlichen Arbeitsteilung innerhalb der Kooperativen ist die Basis dafür, dass die Beteiligten selbst neue Ansatzpunkte für die Organisation ihrer Arbeit entwickeln und auf diesem Wege die mit der männerdominierten Erwerbsarbeit verbundenen Ungleichheiten hinterfragen. Wenn demokratische Entscheidungsstrukturen verankert sind, können die Zusammenschlüsse auch geeignete Instanzen sein, um Fraueninteressen gegenüber anderen Organisationen und staatlichen Institutionen zu vertreten. Aus: Contraste Monatszeitung für Selbstorganisation, Nr. 189, Juni 2000
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